„Ich
bin nicht darauf aus, jemandem meine Meinung aufzudrücken.“
Mit Petermorphose
ins Gespräch zu kommen ist keine schwierige Aufgabe. Das Quartett
aus Wien existiert seit zwei Jahren und spielt Noiserock mit einem
queer-feministischen Background. Die Band als ein rein politisches
Projekt zu beschreiben, würde aber eindeutig zu kurz greifen. Gut
gelaunt erzählten mir die Bandmitglieder Lisi, Patrick und Bernhard
von Nico, politischen Songtexten und Bandimages.
SOS: Deine Stimme
erinnert mich an Nico. Ist sie ein Vorbild für dich?
Lisi: (Lacht)
Du bist der Zweite oder Dritte, der das sagt! Als wir im Marea Alta
gespielt haben, kam jemand aus dem Publikum zu mir und meinte: „Du
klingst wie Nico.“ Nur ich kannte Nico nicht. Ich kannte Velvet
Underground, aber ich hatte keine Ahnung von Nico. Ich habe sie mir
dann angehört und war irgendwie ein bisschen schockiert. Aber das
war weder schlecht noch gut, ich habe mir dann halt eine Meinung über
sie bilden müssen, weil ich, wie gesagt, noch nie etwas von ihr
gehört habe.
SOS: Was denkst
du jetzt von ihr?
Lisi: Doch
eine interessante Frau! Aber so ganz warm werde ich nicht mit ihr ...
Patrick: (Zu
Lisi) Du musst mal Solo-Alben von ihr hören, du kennst sie ja nur in
der Velvet Underground Version.
Lisi: Genau.
Aber dort sticht sie halt raus, sie hat etwas besonderes. Ich kann
jetzt nicht sagen, ob ich sie gut oder schlecht finde. Sie
interessiert mich einfach irgendwie. Aber das ist doch eigentlich
positiv!
SOS: Bei
„Cash&Mary“ gibt es eine Textzeile, die „You should get
banned behind colored windows“ lautet. Was heißt das?
Patrick: In
diesem Lied geht es um Frauen in Afghanistan, die eine Burka tragen
müssen. In der Zeit unter der Taliban Regierung waren sie von der
Straße verbannt, wenn sie keine Burka getragen haben. Es hat mich
sehr schockiert, als ich gelesen habe, dass sie sich, selbst wenn sie
im Haus waren, nicht im Erdgeschoss aufhalten durften, weil man sie
sonst von der Straße aus gesehen hätte. Deshalb hat man alle
Fenster mit Farbe zu gestrichen und das ist auch der Grund für diese
Textzeile.
SOS: Ah, okay!
Ich habe das eher auf Religion bezogen und dachte das soll eine
Metapher für Kirchenfenster sein.
Patrick: Das
ist mir im Nachhinein auch aufgefallen, weil es halt nicht nach
zugepinselten Fenster, sondern nach schönen, farbigen Fenstern
klingt.
Lisi: Man
kann viel hineininterpretieren und das ist schön! Patrick hat den
Text geschrieben. Was ich an dem Text so liebe ist, dass es um ein
sehr dramatisches Thema geht, der Text das Thema aber faktisch
darstellt.
Patrick: Es
soll kein Klagelied sein.
Lisi: Es ist
einfach die Wahrheit. Genau das macht den Text auch so wirkungsvoll.
SOS: Trotzdem hat
der Song eine klare politische Aussage. Versteht ihr euch als eine
politische Band?
Patrick:
Politik ist nicht unser Ziel. Nein gar nicht! Wir sagen nicht: „Ach,
wir schrieben jetzt ein politisches Lied.“ Es gibt zum Beispiel
auch einen anderen Song, wo es nur um einen Kühlschrank mit Essen
geht. Das ist dann eher wieder witzig und seltsam.
Lisi: Ich
glaube das war einfach ein Thema, das vor allem Patrick sehr
beschäftigt hat. Dementsprechend ist es dann entstanden.
SOS: Wenn ich an
andere queer - feministische Referenzen aus den Neunziger-Jahren
denke, dann denke ich an die Riot-Girrrrl-Bewegung. Der Unterschied
zwischen euch und Bands wie Sleater Kinney oder Bikini Kill ist, dass
bei euch diese Agressivität, der „Riot“, fehlt. Ist es eine
bewusste Entscheidung von euch zu sagen: „Wir stehen für etwas,
transportieren diese Botschaft aber ohne dabei zum Protest
aufzurufen?“
Lisi: Ich
kann von mir aus sagen, dass ich, wenn ich Aussagen treffe, das nicht
durch Aggression machen will. Ich bin nicht darauf aus, jemandem
meine Meinung aufzudrücken. Die, die es interessiert, werden es sich
Anhören und auch die Texte lesen, und die, die das nicht tun, wollen
wir auch nicht erreichen.
Patrick: Ich
glaube, das ist teilweise auch gar nicht möglich, weil wir das Ganze
so konzipiert haben, dass der Gesang als solches nicht alles
übertönt, sondern dass er sich genauso einfügt wie ein Instrument.
Dadurch geht auch dieses aufreibende Potenzial teilweise verloren.
Bernhard: Die
Aufnahme von „Cash&Mary“, die wir gemacht haben, war wirklich
poppig abgemischt und war deshalb auch nicht mehr so ganz das, was
wir uns eigentlich vorgestellt haben. Wir hören uns selber anders.
Patrick: Also
wenn ich für uns alle sprechen kann: Mit der Aufnahme die jetzt
gerade kursiert sind wir nicht zu 100 Prozent zufrieden.
Lisi: Uns
gefällt diese schräge Keller-Atmosphäre. Bei dem Song war es so,
dass er sehr konservativ abgemischt wurde. Trotzdem sind wir froh
eine Studioaufnahme zu haben!
SOS: Ihr habt auf
Facebook auch die Band Candelilla geliked.
Patrick: Ja,
das war ich!
SOS: Die Band
Candelilla klingt schon eine Spur aufreibender als eure Musik. Ist
das trotzdem ein Einfluss für euch?
Patrick: Ich
weiß nicht, inwiefern das ein Einfluss ist. Hm. Ich muss mich neu
ordnen ...
Lisi: Ich
glaube das Interessante an uns ist, dass Patrick und Tina von dieser
Noise/Trash–Seite kommen, Bernhard und ich aber sehr
melodieverliebt sind, dadurch klingen wir dann eigentlich nicht so
trashig und aggressiv.
Patrick: Wir
haben eher Ausrisse bei Solos oder Zwischenparts, wo wir sagen: Wir
machen das jetzt wirklich ganz schräg, weil der Song schon so rund
ist.
Bernhard: Es
gleicht sich allgemein super zwischen uns aus. Wir kommen alle aus
einem anderen Gebiet.
Lisi: Du aus
der Klassik!
Bernhard: Ja,
ich aus der Klassik und du aus dem Jazz.
SOS: Wer ist Tante Erna?
Lisi: (Lacht)
Okay, ich glaube ich bin jetzt einfach ehrlich: Also Aunt Erna soll
ja eigentlich „Aunt Irma“ heißen. Also die „rote Tante“. Auf
Deutsch: Es geht um die Tage. Wie schmerzhaft das ist und darum, dass
Männer diesen Schmerz eben nicht verstehen können. Wir hatten mal
eine Probe in der Tina und ich gleichzeitig unsere Tage hatten. Das
war die Hölle! Daraufhin dachten wir uns: „Scheiß drauf, wir
schreiben jetzt ein Lied darüber!“
Patrick:
Nein, es war anders! Ihr hattet eure Tage und Tina konnte nicht
spielen. Sie war total am Ende. Dann haben wir an ein paar Riffs
herumprobiert, und das Lied einfach mal so genannt.
Lisi: Aber
wir haben uns verhört und dachten, dass „Aunt Irma“ eigentlich
„Aunt Erna“ heissen sollte. „Erna“ fanden wir dann irgendwie
ganz lustig, das ist so unsere eigene Tante.
SOS: Ihr seit mit
eurer Band auch auf Facebook, Twitter und anderen Social-Media
Kanälen sehr aktiv. Wie viel Wert legt ihr auf euer eigenes
Bandimage?
Patrick: Ich
habe eher das Gefühl, dass wir uns noch nicht so ernst mit unserem
Image auseinandergesetzt haben.
Bernhard: Wir
legen schon Wert auf die Gestaltung und wie alles aussieht. Es ist
uns schon wichtig etwas rüberzubringen. Wir haben jetzt aber keine
klaren Richtlinien. Wie wir rüberkommen möchten, ist eher kein
Thema. Das ergibt sich einfach aus allem, was wir machen.
Patrick: Ich
glaube auch nicht, dass wir jetzt schon ein großes Publikum
erreichen. Die Leute die uns auf Facebook liken sind hauptsächlich
nur Bekannte. Es ist einfach eine Beschäftigung, damit man irgendwie
präsent ist, falls dann mal jemand, wie du zum Beispiel, kommt.
Lisi: Ich
nenne es mal „Grafiker-Krankheit“ (Anm.: Die Bandmitglieder
kommen alle von der Graphischen BLVA)
Patrick: Das
wurde uns in der Ausbildung eingeimpft.
SOS: Wie geht es
weiter? Habt ihr irgendwelche Pläne für die Zukunft?
Lisi: Unser
nächster Plan sind Studio-Aufnahmen.
Patrick: Wir
wollen 3 bis 4 Songs aufnehmen. So eine kleine EP. Wo wir das machen
werden, wissen wir noch nicht. Belassen wir es dabei, dass wir sagen,
wir wollen etwas aufnehmen, alles andere ist noch inoffiziell, und
wird sich dann endgültig im Herbst klären.
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