Samstag, 28. September 2013

Interview mit Petermorphose


Ich bin nicht darauf aus, jemandem meine Meinung aufzudrücken.“ 


Mit Petermorphose ins Gespräch zu kommen ist keine schwierige Aufgabe. Das Quartett aus Wien existiert seit zwei Jahren und spielt Noiserock mit einem queer-feministischen Background. Die Band als ein rein politisches Projekt zu beschreiben, würde aber eindeutig zu kurz greifen. Gut gelaunt erzählten mir die Bandmitglieder Lisi, Patrick und Bernhard von Nico, politischen Songtexten und Bandimages.


SOS: Deine Stimme erinnert mich an Nico. Ist sie ein Vorbild für dich?
Lisi: (Lacht) Du bist der Zweite oder Dritte, der das sagt! Als wir im Marea Alta gespielt haben, kam jemand aus dem Publikum zu mir und meinte: „Du klingst wie Nico.“ Nur ich kannte Nico nicht. Ich kannte Velvet Underground, aber ich hatte keine Ahnung von Nico. Ich habe sie mir dann angehört und war irgendwie ein bisschen schockiert. Aber das war weder schlecht noch gut, ich habe mir dann halt eine Meinung über sie bilden müssen, weil ich, wie gesagt, noch nie etwas von ihr gehört habe.


SOS: Was denkst du jetzt von ihr?
Lisi: Doch eine interessante Frau! Aber so ganz warm werde ich nicht mit ihr ...
Patrick: (Zu Lisi) Du musst mal Solo-Alben von ihr hören, du kennst sie ja nur in der Velvet Underground Version.
Lisi: Genau. Aber dort sticht sie halt raus, sie hat etwas besonderes. Ich kann jetzt nicht sagen, ob ich sie gut oder schlecht finde. Sie interessiert mich einfach irgendwie. Aber das ist doch eigentlich positiv!



SOS: Bei „Cash&Mary“ gibt es eine Textzeile, die „You should get banned behind colored windows“ lautet. Was heißt das?
Patrick: In diesem Lied geht es um Frauen in Afghanistan, die eine Burka tragen müssen. In der Zeit unter der Taliban Regierung waren sie von der Straße verbannt, wenn sie keine Burka getragen haben. Es hat mich sehr schockiert, als ich gelesen habe, dass sie sich, selbst wenn sie im Haus waren, nicht im Erdgeschoss aufhalten durften, weil man sie sonst von der Straße aus gesehen hätte. Deshalb hat man alle Fenster mit Farbe zu gestrichen und das ist auch der Grund für diese Textzeile.

SOS: Ah, okay! Ich habe das eher auf Religion bezogen und dachte das soll eine Metapher für Kirchenfenster sein.
Patrick: Das ist mir im Nachhinein auch aufgefallen, weil es halt nicht nach zugepinselten Fenster, sondern nach schönen, farbigen Fenstern klingt.
Lisi: Man kann viel hineininterpretieren und das ist schön! Patrick hat den Text geschrieben. Was ich an dem Text so liebe ist, dass es um ein sehr dramatisches Thema geht, der Text das Thema aber faktisch darstellt.
Patrick: Es soll kein Klagelied sein.
Lisi: Es ist einfach die Wahrheit. Genau das macht den Text auch so wirkungsvoll.

SOS: Trotzdem hat der Song eine klare politische Aussage. Versteht ihr euch als eine politische Band?
Patrick: Politik ist nicht unser Ziel. Nein gar nicht! Wir sagen nicht: „Ach, wir schrieben jetzt ein politisches Lied.“ Es gibt zum Beispiel auch einen anderen Song, wo es nur um einen Kühlschrank mit Essen geht. Das ist dann eher wieder witzig und seltsam.
Lisi: Ich glaube das war einfach ein Thema, das vor allem Patrick sehr beschäftigt hat. Dementsprechend ist es dann entstanden.

SOS: Wenn ich an andere queer - feministische Referenzen aus den Neunziger-Jahren denke, dann denke ich an die Riot-Girrrrl-Bewegung. Der Unterschied zwischen euch und Bands wie Sleater Kinney oder Bikini Kill ist, dass bei euch diese Agressivität, der „Riot“, fehlt. Ist es eine bewusste Entscheidung von euch zu sagen: „Wir stehen für etwas, transportieren diese Botschaft aber ohne dabei zum Protest aufzurufen?“
Lisi: Ich kann von mir aus sagen, dass ich, wenn ich Aussagen treffe, das nicht durch Aggression machen will. Ich bin nicht darauf aus, jemandem meine Meinung aufzudrücken. Die, die es interessiert, werden es sich Anhören und auch die Texte lesen, und die, die das nicht tun, wollen wir auch nicht erreichen.
Patrick: Ich glaube, das ist teilweise auch gar nicht möglich, weil wir das Ganze so konzipiert haben, dass der Gesang als solches nicht alles übertönt, sondern dass er sich genauso einfügt wie ein Instrument. Dadurch geht auch dieses aufreibende Potenzial teilweise verloren.
Bernhard: Die Aufnahme von „Cash&Mary“, die wir gemacht haben, war wirklich poppig abgemischt und war deshalb auch nicht mehr so ganz das, was wir uns eigentlich vorgestellt haben. Wir hören uns selber anders.
Patrick: Also wenn ich für uns alle sprechen kann: Mit der Aufnahme die jetzt gerade kursiert sind wir nicht zu 100 Prozent zufrieden.
Lisi: Uns gefällt diese schräge Keller-Atmosphäre. Bei dem Song war es so, dass er sehr konservativ abgemischt wurde. Trotzdem sind wir froh eine Studioaufnahme zu haben!



SOS: Ihr habt auf Facebook auch die Band Candelilla geliked.
Patrick: Ja, das war ich!
SOS: Die Band Candelilla klingt schon eine Spur aufreibender als eure Musik. Ist das trotzdem ein Einfluss für euch?
Patrick: Ich weiß nicht, inwiefern das ein Einfluss ist. Hm. Ich muss mich neu ordnen ...
Lisi: Ich glaube das Interessante an uns ist, dass Patrick und Tina von dieser Noise/Trash–Seite kommen, Bernhard und ich aber sehr melodieverliebt sind, dadurch klingen wir dann eigentlich nicht so trashig und aggressiv.
Patrick: Wir haben eher Ausrisse bei Solos oder Zwischenparts, wo wir sagen: Wir machen das jetzt wirklich ganz schräg, weil der Song schon so rund ist.
Bernhard: Es gleicht sich allgemein super zwischen uns aus. Wir kommen alle aus einem anderen Gebiet.
Lisi: Du aus der Klassik!
Bernhard: Ja, ich aus der Klassik und du aus dem Jazz.



SOS: Wer ist Tante Erna?
Lisi: (Lacht) Okay, ich glaube ich bin jetzt einfach ehrlich: Also Aunt Erna soll ja eigentlich „Aunt Irma“ heißen. Also die „rote Tante“. Auf Deutsch: Es geht um die Tage. Wie schmerzhaft das ist und darum, dass Männer diesen Schmerz eben nicht verstehen können. Wir hatten mal eine Probe in der Tina und ich gleichzeitig unsere Tage hatten. Das war die Hölle! Daraufhin dachten wir uns: „Scheiß drauf, wir schreiben jetzt ein Lied darüber!“
Patrick: Nein, es war anders! Ihr hattet eure Tage und Tina konnte nicht spielen. Sie war total am Ende. Dann haben wir an ein paar Riffs herumprobiert, und das Lied einfach mal so genannt.
Lisi: Aber wir haben uns verhört und dachten, dass „Aunt Irma“ eigentlich „Aunt Erna“ heissen sollte. „Erna“ fanden wir dann irgendwie ganz lustig, das ist so unsere eigene Tante.

SOS: Ihr seit mit eurer Band auch auf Facebook, Twitter und anderen Social-Media Kanälen sehr aktiv. Wie viel Wert legt ihr auf euer eigenes Bandimage?
Patrick: Ich habe eher das Gefühl, dass wir uns noch nicht so ernst mit unserem Image auseinandergesetzt haben.
Bernhard: Wir legen schon Wert auf die Gestaltung und wie alles aussieht. Es ist uns schon wichtig etwas rüberzubringen. Wir haben jetzt aber keine klaren Richtlinien. Wie wir rüberkommen möchten, ist eher kein Thema. Das ergibt sich einfach aus allem, was wir machen.
Patrick: Ich glaube auch nicht, dass wir jetzt schon ein großes Publikum erreichen. Die Leute die uns auf Facebook liken sind hauptsächlich nur Bekannte. Es ist einfach eine Beschäftigung, damit man irgendwie präsent ist, falls dann mal jemand, wie du zum Beispiel, kommt.
Lisi: Ich nenne es mal „Grafiker-Krankheit“ (Anm.: Die Bandmitglieder kommen alle von der Graphischen BLVA)
Patrick: Das wurde uns in der Ausbildung eingeimpft.

SOS: Wie geht es weiter? Habt ihr irgendwelche Pläne für die Zukunft?
Lisi: Unser nächster Plan sind Studio-Aufnahmen.
Patrick: Wir wollen 3 bis 4 Songs aufnehmen. So eine kleine EP. Wo wir das machen werden, wissen wir noch nicht. Belassen wir es dabei, dass wir sagen, wir wollen etwas aufnehmen, alles andere ist noch inoffiziell, und wird sich dann endgültig im Herbst klären.




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